Gespräch

Dora Kleemann im Gespräch mit Birke Kleemann:

Das Bestechende ist zunächst einmal die Oberfläche des Emails. Meist bekannt aus der Schmuckgestaltung, erregt heute eine ganz andere Möglichkeit Bewunderung, nämlich das Material als malerisches Element in die Komposition einzubringen.

Natürlich fasziniert mich die Herrlichkeit der geflossenen Farbe. Aber da war im Anfang noch das Geheimnis der Herstellung. Die Feuervorstellung von Lili Schultz, die mir auf die Dauer zwar nicht genügte, doch etwas von der Begeisterung, die Lili Schultz durchglühte, ging auch auf mich über. Ich fing an, das Material zu erkunden. Es dauerte lange, bis ich zu ihm wirklich Kontakt bekam. Gedankenarbeit führte mich auch in Sackgassen. Wann es sich mir dann geöffnet hat, vermag ich nicht zu sagen, nur soviel, dass es mich nicht mehr losließ, ich ihm immer noch nachspüre und die Grenzen seiner Möglichkeiten noch nicht erfahren habe.

Shanghai, 2001

Die Entwicklung der künstlerischen Bearbeitung unserer Welt hat das Materialbild schon in die Tradition aufgenommen. Nicht nur die mit Öl-, Tempera- oder Aquarellfarben gemalten Bilder, sondern auch mit unterschiedlichsten Farben und Stoffen entworfene Kompositionen vermögen dem Beschauer den vom Künstler erarbeiteten Sinn und geordnete Schönheit zu vermitteln.

Ich sträube mich ein wenig, das Material selbst als Anregung zu nehmen, eher will ich es als Ausdrucksmittel benutzen.

Sicheres Umgehen mit dem Material ist also die Voraussetzung für die Gestaltung. Dem Zufall soll nicht überlassen bleiben, ob eine Farbe transparent oder dicht ist, ob eine Linienführung so oder nicht anders verläuft.

Wie jeden Künstler bewegt mich Gesehenes, Gehörtes, Erfahrenes, auch Anklagen. Unversehens geschieht es mir, dass ein fertiges Bild eine Art Harmonisierung, eine Versöhnung in überschaubarem Rahmen stattgefunden hat. Das mag an meinem Bedürfnis liegen, aber auch zum Teil am Material. Hier räume ich ihm einen Einfluss ein, wenn ich auch sonst versuche, Distanz zu halten. Darum enthalte ich mich von Zeit zu Zeit bewusst der schwelgerischen Farbigkeit, die das Email für sich hat, und reduziere sie auf weiß-schwarz-grau. Seien es die Begrenzungen der Farbflächen durch Drähte, wie es die Tradition lehrt, oder seien die Farben mit dem Pinsel aufgetragen, einer anderen Technik zufolge, allem geht also ein genaues Durchdenken des zu gestaltenden Themas voraus.

Drahtemail auf Kupfer

Traumverloren, 1995

Sind die langen Werdegangsprozesse der Gestaltung hinderlich?

Nein, die Schwierigkeiten der Herstellung sind mir kein Hindernis. Im Gegenteil, auch langes und langsames Wachsen macht mich zufrieden. Ich brauche den Widerstand des Metalls und der Glasurfarben geradezu. Leicht zu handhaben sind beide nicht immer.

Die Wahl der Themen wird ja von verschiedenen Seiten bestimmt. Da ist der Auftraggeber, da sind spontane Einfälle, da stellt das Matehai Aufgaben, da sind Gedanken, die aus der Umwelt kommen und über längere Zeit beschäftigen.

Aufträge machen mir insofern keine besonderen Schwierigkeiten, als ich an meine freien Arbeiten auch mit einem vorher durchdachten Programm oder Plan oder Konzept oder theoretischen Absicht, wie man das auch immer nennen will, herangehe. Wenn mich ein Thema über Jahre hin begleitet hat und sich eines Tages als erschöpft erweist, laufe ich auf Motivsuche umher. Es ist so, wie man sich den Maler in der Landschaft vorstellt, mit der Staffelei auf dem Rücken, nur spielt sich alles in meinem Kopf ab. Ich improvisiere nicht, ich denke vor, alles, gelegentlich bis zum durchgearbeiteten Bild. Manchmal ist eine Aufgabenstellung von außen ganz angenehm.

Es gibt aber auch Arbeiten, die aus zufälligen Erfahrungen stammen. Ich erinnere mich an Abfallstücke, die zu neuen Zusammenstellungen führten, auch an Versuche mit neuen Farben, die überraschende und doch überzeugende Ergebnisse brachten. Das Material besitzt eine starke Eigenwirkung.

Ich habe schon andere Materialien ausprobiert. Wenn ich etwas für mich Entscheidendes zu machen gedenke, fällt mir unweigerlich Email auf Kupfer ein. Welche der vielen Techniken den Vorrang bekommt, ist in der Rückschau fast in Perioden einteilbar. Es hat Zeiten gegeben, da war mir das Relief wichtig, Kupfer in der Hand zu halten und zu verformen. Im Augenblick fesselt mich der Kupferdraht, und zwar dünngewalzter, weicher Draht, der einen schönen Strich ergibt. Dem Zufall ist hier nicht viel Raum gegeben, wie ich ihn überhaupt gern zurückdränge. Mir liegt mehr daran, den Werdegang zu steuern, die Arbeit mit dem Draht ständig zeichnend zu kontrollieren.

Dazu gehören Vorstudien, Entwürfe, Skizzen, Materialproben, auch die Lösung technischer Aufgaben. Email hat schon in historischer Zeit seinen Zauber entfaltet, weist eine lange Geschichte auf, die sicher anregt, aber auch eine Herausforderung darstellt.

Was das Email anbelangt, sehe ich mich in der Nachfolge von Lili Schultz. Im Gegensatz zu ihr habe ich zur Klassik ein durchaus gebrochenes Verhältnis. Bei aller Bewunderung neige ich etwas zur Ironisierung.